Rechtsanwälte GRÄNING & KOLLEGEN

Umgangsrecht – auch während der Corona-Pandemie

Veröffentlicht am 28.07.2020

Auch während der Corona-Pandemie kann das Recht des Kindes auf Umgang mit seinen Eltern gemäß § 1084 BGB nicht in Frage gestellt werden. Danach hat das Kind das Recht auf Umgang mit jedem Elternteil. Jeder Elternteil wiederum ist zum Umgang mit dem Kind verpflichtet und berechtigt.

Dies gilt auch während der Pandemie.

Das OLG Braunschweig hat in seinem Beschluss vom 20.05.2020, Aktenzeichen 1 UF 51/20 darauf abgestellt, dass dieses Umgangsrecht auch nicht von landesrechtlichen Verordnungen mit Untersagung von Kontakten zu Personen eines anderen Hausstandes, betroffen sein kann.

Dem in dem Landesjustizportal des Landes Niedersachen veröffentlichten Beschluss lag folgender Sachverhalt zugrunde.

Ein nicht ehelicher Vater begehrt eine Umgangsregelung für den Umgang mit seiner knapp 6 Jahre alten Tochter. Die Tochter lebt im Haushalt der Kindesmutter, die auch das alleinige Sorgerecht ausübt.

Dem Vater war in der Vergangenheit das Umgangsrecht stets in der Umgebung und überwiegend im Beisein der Kindesmutter eingeräumt worden. Einem weitergehenden Umgang hatte die Kindesmutter bis dato widersprochen.

Mit Beschluss vom 13.02.2020 hatte das Familiengericht sodann den Wochenendumgang des Vaters mit der Tochter dahingehend geregelt, dass dieser für die Zeit bis Ende Juni 2020 an jedem Samstag von 10 bis 19 Uhr und ab Juli 2020 an jedem zweiten und vierten Wochenende des Monats in der Zeit von Samstag 10 Uhr bis Sonntag 17 Uhr stattfindet.

Ferner wurden u.a. Umgänge in den Ferienmonaten geregelt. Die Kindesmutter beabsichtigte, Beschwerde gegen diese Entscheidung einzulegen und beantragte zunächst die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe. Die Kindesmutter begründete ihre Absicht der Beschwerde auch damit, das Amtsgericht habe außer Acht gelassen, dass durch die Corona-Pandemie besondere Gesundheitsgefahren bestehen und daher die Umgangsregelung nicht dem Kindeswohl entspräche. Sie müsse dem Kindesvater den Umgang mit dem Kind wegen dieser Gefahren verweigern.

Das OLG hingegen hatte keinerlei Bedenken gegen den durch das Amtsgericht angeordneten Umgangsumfang. Auch die Argumentation der Kindesmutter, dass ein Umgang derzeit während der Corona-Epidemie verweigert werden soll, sah das Gericht als ungerechtfertigt an. Es wies darauf hin, dass nach § 1684 BGB ein Infektionsgeschehen keinerlei Bezug zu den Voraussetzungen des Umgangsrechtes hat.

 

In diesem Zusammenhang verwies es auf die Publikation des Bundesministeriums für Justiz und Verbraucherschutz (www.bmjv.de/DE/Themen/Fokusthemen/Corona/Sorgeumgangsrecht. Auf seiner Homepage weist das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz darauf hin, dass allein das Auftreten der Corona-Pandemie es nicht rechtfertigt, den Umgang auszusetzen.

Grundsätzlich steht einem Umgang kein gesetzliches Verbot entgegen und ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass Vater und Kind nicht in einem Haushalt wohnen. Zwar gilt durchgängig das Gebot, nach den während der Corona-Pandemie ergangenen Verordnungen, Kontakt zu anderen Menschen, die nicht zu den Angehörigen des eigenen Hausstandes gehören, auf ein absolut notwendiges Minimum zu reduzieren. Aber gerade der Umgang zwischen dem nicht betreuenden Elternteil und seinem Kind gehört zu einem absolut notwendigen Minimum zwischenmenschlicher Kontakte. Auch eine anderweitige Erkrankung eines Kindes steht einem Umgang grundsätzlich nicht entgegen, da der zum Umgang berechtigte Elternteil ebenfalls sein krankes Kind versorgen und pflegen kann.

Aus tatsächlichen und rechtlichen Gründen ist ein Kontakt in Ausnahmefällen lediglich dann nicht möglich, wenn die behördliche Anordnung einer Quarantäne, einer Ausgangssperre oder die nachweisliche Infektion des umgangsberechtigten Elternteiles oder eines Angehörigen seines Haushaltes mit Covid 19 vorliegt. Auch kann eine Testung von dem umgangsberechtigten Elternteil nur dann gefordert werden, wenn hierfür die Voraussetzungen nach den von den Gesundheitsämtern vorgegebenen Richtlinien vorliegen (bei Covid 19: typische Symptome, Kontakt mit erkrankten Personen).

Das Bundesministerium für Justiz und Verbraucher verweist darauf, dass die Empfehlung, soziale Kontakte möglichst zu vermeiden, sich nicht auf die Kernfamilie bezieht. Eine Kernfamilie besteht auch dann, wenn die Eltern nach einer Trennung in zwei getrennten Haushalten leben.

In vorliegendem Fall wurde der Antrag der Kindesmutter auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für die beabsichtigte Beschwerde gegen den Umgangsbeschluss des Familiengerichtes zurückgewiesen.

Andere Gerichte haben ebenfalls während der Corona-Pandemie dem Wohl der Kinder in begründeten Einzelfällen den Vorrang vor landesrechtlichen Bestimmungen der jeweiligen Corona-Schutzverordnungen gegeben. So hat das VG Gelsenkirchen mit Beschluss vom 29.04.2020, 20 L 516/20 den Eltern eines in einer Pflegeeinrichtung lebenden 4jährigen schwerstbehinderten Kindes ein Besuchsrecht aus dem überragenden Interesse des Kindeswohles entgegen den Bestimmungen der Corona-Schutzverordnung (Corona SchVO) des Landes Nordrhein-Westfalen zugesprochen.

In ähnlicher Weise hat das VG Hamburg mit Beschluss vom 16.04.2020, Aktenzeichen 11 E 1630/20 einer Mutter gestattet, ihre in einem Kinderschutzhaus untergebrachten Kinder zu besuchen, entgegen dem in der dortigen Corona-Schutzverordnung geregelten Besuchsverbot für solche Pflegeeinrichtungen.

Zu empfehlen ist daher, bei Bedarf zur Veränderung von Umgangsregelungen eine einvernehmliche Lösung unter den Beteiligten zu finden. Auch ein vorübergehender Umstand, der einem Wechsel des Kindes zum anderen Elternteil entgegensteht, muss nicht zwangsläufig eine schuldhafte Verletzung der Umgangsregelung sein. So sind die Umstände einer Änderung zu prüfen. Sofern eine besondere Lage infolge eines Infektionsgeschehens eingetreten ist und eine konkrete Gefahrenlage für das Kind durch die Ausübung des Umgangsrechtes besteht, darf das Umgangsrecht wiederum nicht mit den gesetzlichen Ordnungsmitteln wie Ordnungsgeld oder Ordnungshaft durchgesetzt werden.

Ein allgemeines Corona-Pandemie-Risiko kann nicht allgemein zu einer Änderung der Umgangsreglung führen. Anders ist es zu beurteilen, wenn das Kind im anderen Elternhaus Kontakt zu einer positiv getesteten Person hat oder in einem Haushalt mit einem Elternteil lebt, welcher einer besonderen Risikogruppe angehört. In jedem Fall sind diese Umstände im Hinblick auf das Wohl des Kindes zu bewerten.

 

 

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