Rechtsanwälte GRÄNING & KOLLEGEN

Schutzimpfung für ein Kind

Veröffentlicht am 03.07.2017

 

Der BGH hatte laut Pressemitteilung vom 23.05.2017 in einem Fall zu entscheiden, in dem die sorgeberechtigten Eltern in Bezug auf Schutzimpfung ihres Kindes unterschiedlicher Ansicht waren und der daraus entstandene Streit durch das Gericht beizulegen war.

 

Der Vater führte als Antragsteller einen Rechtsstreit gegen die Kindesmutter als Antragsgegnerin, weil zwischen den Eltern Uneinigkeit über die Notwendigkeit von Schutzimpfungen für die gemeinsame Tochter bestand. Die Eltern sind nicht miteinander verheiratet, aber beide sorgeberechtigt für die im Juni 2012 geborene Tochter, die bei der Mutter lebt.

 

Beide beantragten wechselseitig die Alleinübertragung der Gesundheitssorge für die Tochter. Der Vater befürwortet die Durchführung der altersentsprechenden Schutzimpfungen, die durch die ständige Impfkommission am Robert-Koch-Institut (STIKO) empfohlen werden. Die Mutter allerdings sieht das Risiko von Impfschäden, die schwerer wiegen würden, als das allgemeine Infektionsrisiko. Sie könne eine anlassunabhängige Impfung ihrer Tochter nur dann befürworten, wenn ärztlicherseits Impfschäden mit Sicherheit ausgeschlossen werden könnten.

 

Das Amtsgericht hatte dem Vater das Entscheidungsrecht über die Durchführung von Impfungen übertragen, dagegen richtete sich die Beschwerde der Mutter. Das nun zuständige Oberlandesgericht hatte die Übertragung der Entscheidungsbefugnis auf den Vater belassen, diese aber beschränkt auf Schutzimpfungen gegen Tetanus, Diphtherie, Pertussis (Keuchhusten), Pneumokokken, Rotaviren, Meingokokken C, Masern, Mumps und Röteln.

 

Gegen diese Entscheidung legte die Mutter Rechtsbeschwerde ein, die allerdings ohne Erfolg blieb. Der BGH verwies auf § 1628 S. 1 BGB, wonach auf Antrag eines Elternteils bei Eltern mit gemeinsamer elterlicher Sorge die Entscheidung für eine einzelne Angelegenheit oder eine bestimmte Art von Angelegenheiten des Kindes auf ein Elternteil übertragen werden kann, wenn die Regelung für das Kind von erheblicher Bedeutung ist und die Eltern sich nicht einigen können.

 

Laut Gericht ist die Entscheidungskompetenz dem Elternteil zu übertragen, dessen Lösungsvorschlag dem Wohl des Kindes besser gerecht wird. Hier lag keine alltägliche Angelegenheit vor, die nach § 1687 Abs. 1 BGB in die Entscheidungsbefugnis allein des Elternteils fallen würde, bei dem sich das Kind aufhält. Die Durchführung von Schutzimpfungen stellt eine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung für ein Kind dar. Eine solche Entscheidung der Impfung gegen bestimmte Infektionskrankheiten fällt zudem, im Gegensatz zur Angelegenheiten des täglichen Lebens, regelmäßig nur einmal an.

 

Sowohl das durch eine Impfung vermeidbare und mit möglichen Komplikationen verbundene Infektionsrisiko, als auch das Risiko einer Impfschädigung, haben jeweils erhebliche Bedeutung für das Kind. Der BGH bestätigte insoweit die Entscheidung des Oberlandesgerichtes in der Hinsicht, als der Vater als besser geeignet angesehen wurde, um über die Durchführung der aufgezählten Impfungen des Kindes zu entscheiden.

 

Dabei orientierte sich das Gericht an den Empfehlungen der ständigen Impfkommission (STIKO). Diese Impfempfehlungen sind vom BGH bereits als medizinischer Standard anderweitig anerkannt worden. Das Gericht konnte auf diese Impfempfehlung als vorhandene wissenschaftliche Erkenntnisse zurückgreifen, da keine einschlägigen Einzelfallumstände für beim Kind bestehende besondere Impfrisiken vorlägen.

 

Die Vorbehalte der Mutter, die aus ihrer Befürchtung einer „unheilvollen Lobbyarbeit von Pharmaindustrie und Ärzteschaft“ resultieren, waren nicht dafür geeignet, dass das OLG ein gesondertes Sachverständigengutachten über allgemeine Impfrisiken einzuholen hatte.

 

 

Abschließend wird nochmals auf die rechtlichen Grundlagen der §§ 1628, 1687 Abs. 1 BGB hingewiesen, wonach ein Elternteil bei Getrenntleben in einer einzelnen Angelegenheit der elterlichen Sorge, deren Regelung für das Kind von erheblicher Bedeutung ist, einen Antrag an das Familiengericht zur Übertragung der Entscheidung auf ein Elternteil dann stellen kann, wenn eine Einigung mit dem anderen Elternteil nicht zu erzielen ist.

 

Bei Entscheidungen von Angelegenheiten, deren Regelung für das Kind von erheblicher Bedeutung ist, ist bei gemeinsamer elterlicher Sorge der Eltern für ein Kind ein gegenseitiges Einvernehmen erforderlich, auch wenn sie nicht nur vorübergehend getrennt leben.

 

In alltäglichen Angelegenheiten kann durchaus der Elternteil, bei dem sich das Kind aufhält, alleinige Entscheidungen für das Kind treffen. Diese alltäglichen Angelegenheiten sind in der Regel solche, die häufig vorkommen und die keine schwer abzuändernden Auswirkungen auf die Entwicklung des Kindes haben.

 

Beschluss des BGH vom 03. Mai 2017 – XII ZB 157/16

 

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