Rechtsanwälte GRÄNING & KOLLEGEN

Pflichtteils-/Pflichtteilsergänzungsansprüche

Veröffentlicht am 01.04.2022

Leider häufen sich vermehrt Konstellationen in denen zwischen den Generationen Konflikte bestehen, die dazu führen, dass man den Kontakt völlig verliert.

Unabhängig der damit verbundenen menschlichen Enttäuschung stellt man sich natürlich gerade bei der Überlegung zur testamentarischen Regelung die Frage, ob man Abkömmlinge, zu denen man kein familiäres Verhältnis mehr pflegt, noch bedenken will bzw. muss.

Aber selbst wenn man seine Kinder testamentarisch enterbt –was möglich ist-, bleiben für die Abkömmlinge noch die gesetzlichen Pflichtteils- bzw. Pflichtteilsergänzungsansprüche. Hier werden dann vermehrt Gestaltungsmöglichkeiten gesucht, um diese zu minimieren.

Ein Instrument ist die Schenkung zu Lebzeiten an andere Personen als die Abkömmlinge, die man testamentarisch enterbt hat. Grundsätzlich ist es so, dass Schenkungen, die nicht länger als 10 Jahre her sind, bei einem möglichen Pflichtteils- bzw. Pflichtteilsergänzungsanspruch des Abkömmlings berücksichtigt werden, wobei es aufgrund einer Regelung im BGB so ist, dass der Wert des geschenkten Gegenstandes für jedes Jahr, das seit der Schenkung bis zum Erbfall vergangen ist, um 10 % abschmilzt. Bei Geldgeschenken ist es also eine einfache Regelung: Man verschenkt zu einem bestimmten Zeitpunkt einen Betrag und errechnet dann den Wert der Schenkung aus der Zeitdifferenz zwischen Schenkung und Erbfall. Bei Grundstücken ist das zunächst einmal ähnlich, wobei man beachten muss, dass die 10 Jahre erst mit der Grundbuchumschreibung beginnen.

Bei einer Grundstücksschenkung ist aber auch aus einem anderen Grund die Klärung der Frage umstritten, wann die Frist zu laufen beginnt. Zunächst geht es dem Verschenker auf der einen Seite ja darum, dass der Pflichtteilsberechtigte möglichst wenig bekommt. Andererseits will sich der Verschenker aber auch nicht wirklich von seinem Eigentum lösen. Der Verschenker möchte in Schenkungsverträgen häufig sogenannte Nießbräuche oder Wohnrechte von den Beschenkten erhalten und in einem notariellen Vertrag festgehalten wissen, damit sichergestellt ist, dass er lebenslang nach der Schenkung auf dem Grundstück wohnen bleiben kann.

Hier beginnt jedoch genau das Problem der oben erläuterten Fristenberechnung, bzw. des Anlaufs der Frist. Ein Nießbrauch ist ja ein sehr umfängliches Recht, nachdem jemand auch nach der Übertragung des Eigentums sämtliche Nutzungsrechte am Grundstück behält und darüber hinaus auch alle Erträge, die mit dem Grundstück erzielt werden, weiter behalten darf.

Der Bundesgerichtshof hat sich hierzu insoweit geäußert, als dass dann die Übertragung des Eigentums zwar erfolgt, der Verschenker aber faktisch die Sachherrschaft über sein früheres Eigentum behält. Das heißt, die oben erläuterte Frist, die zur Minimierung der Ansprüche der enterbten Abkömmlinge führen würde, beginnt nicht zu laufen mit der Umschreibung des Grundstückes im Grundbuch, sondern erst mit dem Erbfall.

Bei der Gewährung eines Wohnrechtes gab es hier noch lange Zeit größere Rechtsunsicherheit, weil ein Wohnrecht im Vergleich zum Nießbrauch weniger ist.

Der Bundesgerichtshof hat aber hierzu jetzt auch entschieden, dass ein zugestandenes Wohnungsrecht einem Nießbrauch gleichzustellen ist, was, wie bereits oben erläutert, verhindert, dass die Frist überhaupt anläuft.

Die einzige Möglichkeit, die Frist doch zum Laufen zu bringen, um den gewünschten erbrechtlichen Effekt zu erzielen, verbliebe insoweit, dass ein Wohnungsrecht sich nur noch auf Teile der Räumlichkeiten erstreckt oder, soweit sich mehrere Wohnungen auf dem Grundstück befinden, auf eine einzelne von mehreren Wohnungen beschränkt.

Man muss also hier, bevor man dieses Vorhaben umsetzen will, sich ganz genau überlegen und dazu beraten lassen, unter welcher Gestaltung welche Folgen erzielt werden. Letztlich ist es zwar so, soweit der Wert der Schenkung unter dem Schenkungssteuerfreibetrag des Beschenkten verbleibt, dann keine Steuer zu zahlen ist. Aber Notar- und Grundbuchkosten fallen letztlich doch an und diese möchte man natürlich nur dann aufwenden, wenn auf der anderen Seite auch der gewünschte Effekt eintritt.

 

Dirk Gräning – Rechtsanwalt

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