Rechtsanwälte GRÄNING & KOLLEGEN

Letzte Freiheit ohne Friedhofszwang?

Veröffentlicht am 01.05.2009

Werbung mit „Urne nach Hause“ wettbewerbswidrig

Das Landgericht Berlin (Az.: 97 O 112/08) hatte sich in einem Eilverfahren damit zu beschäftigen, ob die Werbung mit der „Urne nach Hause“ irreführend und wettbewerbswidrig sei, wenn die Einäscherung im Ausland (hier: Tschechien) erfolgt und darauf in der Werbung nicht hingewiesen wird. Die Antragstellerin hat die Werbung eines Bestattungsunternehmens mit folgendem Inhalt für wettbewerbswidrig gehalten und das Unternehmen deswegen abgemahnt:

„Darf man eine Urne im Garten beisetzen oder zu Hause aufbewahren?
Der ……… (Antragsgegner) macht es möglich. Auf Wunsch händigen wir Ihnen einen Anteil der Asche aus. Damit eröffnet sich Ihnen jetzt die Gelegenheit, die Ruhestätte völlig frei zu wählen. Ob unter dem Lieblingsbaum im Garten oder in einer schönen Gedenkurne in der Wohnung. Übrigens: Die Kosten für die Grabstätte auf dem Friedhof sparen Sie dabei auch.“

sowie

„Urne nach Hause
Einzigartig: Wir händigen Ihnen eine Gedenkkapsel mit Ascheanteil aus. So haben Sie einen geliebten Menschen für immer in Ihrer Nähe oder gestalten Ihren Abschied selbst und individuell.“

Da das Bestattungsunternehmen die begehrte strafbewehrte Unterlassungsverfügung nicht abgab, hat die Antragstellerin im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Unterlassung der Werbung beantragt.
Die Antragstellerin meint, dass die beanstandeten Werbeaussagen den Eindruck erwecken, dass die Antragsgegnerin eine (legale) Möglichkeit anbieten könne, die letzte Ruhestätte des Verstorbenen in Deutschland für die Angehörigen frei wählbar zu gestalten, obwohl nach deutschem Recht Bestattungs- und Friedhofszwang bestehe. Die Antragsgegnerin meint, die Regelungen seien nicht mehr zeitgemäß und im übrigen europarechtswidrig.

Der gesetzlich festgelegte Friedhofszwang auch für Feuerbestattungen wurde vom BVerwG als mit dem Grundgesetz vereinbar angesehen. Das Urteil wurde vom BVerfG bestätigt. In den seither vergangenen 30 Jahren erlebte die deutsche Bestattungskultur aber tiefgreifende Veränderungen. So stieg die Zahl der anonymen Bestattungen, der Seebestattungen und immer öfter äußern Angehörige den Wunsch, die Urne ausgehändigt zu erhalten oder in ihrer persönlichen Umgebung zu beerdigen. Damit entfallen die teilweise teuren Grab(pflege)kosten und die Angehörigen brauchen keinen Friedhof aufzusuchen, was bei Älteren und Behinderten oder weit entfernt Wohnenden oft auch nicht mehr möglich ist. Um den Anforderungen der „mobilen Gesellschaft“ gerecht zu werden, bieten daher eine Vielzahl von Bestattungsunternehmen zur Umgehung des deutschen Bestattungs- und Friedhofszwangs die Trauerfeier, Einäscherung und Beisetzung auf die verschiedenste Art und Weise im Ausland an.

Soweit ersichtlich besitzen sämtliche EU-Mitgliedstaaten liberalere Bestattungsregelungen. In unseren Nachbarländern wie Tschechien, Belgien, den Niederlanden oder der Schweiz ist es längst üblich, dass die Urne nebst Totenasche auf Wunsch an die Angehörigen ausgehändigt wird. Selbst in Österreich besteht nunmehr die Möglichkeit die Urne nach Hause zu nehmen, sofern eine Zustimmung des Verstorbenen zu Lebzeiten durch letztwillige Verfügung oder einvernehmliche Zustimmung aller nächsten Angehörigen des Verstorbenen vorliegt sowie eine Einverständniserklärung des Eigentümers des Grundstücks bzw. der Wohnung, in der die Urne aufgestellt werden soll.

Das Landgericht Berlin wies die Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung darauf hin, dass ihre Rechtsverteidigung keine Aussicht auf Erfolg haben dürfte. Es ließ die Frage offen, ob der im deutschen Bestattungsrecht geregelte Bestattungs- und Friedhofszwang für Totenasche mit europäischen Recht vereinbar sei; jedenfalls hätte die beanstandete Werbung einen Hinweis darauf enthalten müssen, dass eine Überführung des Leichnams ins Ausland erfolgt und der Re-Import nach Deutschland ohne anschließende Bestattung eine Ordnungswidrigkeit darstellt. Die Antragsgegnerin erklärte daraufhin, keinen Antrag zu stellen und es erging ein Versäumnisurteil mit dem ihr untersagt wurde, im geschäftlichen Verkehr in der beanstandeten Art und Weise zu werben.

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