Rechtsanwälte GRÄNING & KOLLEGEN

Elternunterhalt

Veröffentlicht am 08.10.2010

Es existiert nicht lediglich ein Tatbestand, der den Kindern gegenüber den Eltern einen Anspruch auf Unterhalt gewährt, sondern auch umgekehrt.

Der Anspruch der Eltern gegenüber Kindern ist in mehrerer Hinsicht wesentlich schwächer ausgestaltet. Die bedürftigen Eltern gehen z.B. allen anderen Unterhaltsberechtigten im Rang gemäß § 1609 Nr. 6 BGB nach. Regulativ des bestehenden Bedarfes der Eltern ist deren Bedürftigkeit und die Leistungsfähigkeit des Unterhaltsverpflichteten. Vorrangig für den Unterhalt haftet immer der Ehegatte, auch der geschiedene, soweit gegen ihn ein Unterhaltsanspruch besteht. Ist er nicht leistungsfähig, haften die Kinder im Rahmen der sogenannten Ersatzhaftung. Kinder haften vor den Großeltern für den Anspruch der Eltern, und vor den Enkelkindern.

Werden Leistungen durch die öffentliche Hand erbracht, geht der Unterhaltsanspruch auf den Träger der Sozialhilfe oder einen anderen Träger über.

Ein etwaiges Eigeneinkommen der Eltern ist in vollem Umfang für die Deckung ihres Bedarfes einzusetzen, vorhandenes Vermögen (außer Schonvermögen) ist vorab zu verwerten. Unter Schonvermögen der Eltern fällt nur ein kleiner Betrag, der ab dem 60. Lebensjahr 2.600,00 Euro (mit Erhöhungsmöglichkeit) beträgt.

Der Selbstbehalt der Kinder ist nicht pauschal und losgelöst von deren Lebensstellung, Einkommen und Vermögen zu bestimmen, sondern muss in jedem Einzelfall bestimmt werden. Die unterhaltsrechtlichen Leitlinien der einzelnen Oberlandesgerichte regeln daher Mindestselbstbehaltsätze, die derzeit bei 1.400,00 Euro plus der Hälfte der Differenz zwischen dem Selbstbehalt und dem bereinigten Nettoeinkommen liegen. In Einzelfällen wird man diesen Selbstbehalt erhöhen müssen, z.B. bei besonderen Belastungen des Unterhaltspflichtigen, eines sehr hohen Lebensstandartes oder ähnlichem. Das Nettoeinkommen ist zu bereinigen, z.B. um Steuern, Krankenvorsorgeaufwendungen, Altervorsorge, vorrangige Unterhaltslasten, Verbindlichkeiten, die vor Kenntnis der Unterhaltsverpflichtung eingegangen wurden.

Vom Selbstbehalt zu unterscheiden ist der Einsatz etwaigen Vermögens des Pflichtigen, wenn das Einkommen nicht ausreicht, um der Unterhaltspflicht nachzukommen. Eine Verpflichtung zum Einsatz des Vermögensstammes besteht nicht, soweit es für den eigenen Unterhalt gebraucht wird oder die Verwertung mit einem nicht zu vertretenden wirtschaftlichen Nachteil verbunden wäre (z.B. Familienheim zur Sicherung des Wohnbedarfes).  Zu belassene Altersrücklagen sind nach Höhe des Einkommens und der Dauer der Erwerbstätigkeit zu beurteilen. Als sogenannte zweite Säule der Altersvorsorge darf der Nichtselbständige 5 % seines Bruttoeinkommens pro Jahr, der Selbständige 25 % unberücksichtigt lassen, so dass das nicht einzusetzende Vermögen bei einem
Nichtselbständigen mit einem Bruttoeinkommen von 50.000,00 Euro pro Jahr bei 40 Berufsjahren 100.000,00 Euro betragen würde (5 % aus 50.000,00 Euro = 2.500,00 Euro x 40).

Häufig stellt sich die Frage, ob das Einkommen des Ehegatten des unterhaltspflichtigen Kindes eine Rolle spielt. Ist der Ehegatte selbst unterhaltsbedürftig, ist sein Bedarf beim Pflichtigen vorab vom Nettoeinkommen abzugsfähig zu berücksichtigen, bevor der Unterhalt für die Eltern berechnet wird. Verdient der Ehegatte mehr, als der Unterhaltspflichtige selbst, ist zu prüfen, ob der Selbstbehalt des Unterhaltsverpflichteten durch das Einkommen des Ehegatten über den Familienunterhalt ganz oder teilweise gedeckt ist. Die Antwort auf die eingangs gestellte Frage lautet mithin: ja, das Einkommen des Ehegatten spielt mittelbar über den Familienunterhalt eine Rolle.

Ein Unterhaltsanspruch des Berechtigten kann ausnahmsweise verwirkt sein, wenn der Unterhaltbedürftige selbst in der Vergangenheit gegenüber seinem Kind vorsätzlich Pflichten verletzt hat, z.B. bei Misshandlungen, sexuellem Missbrauch oder Verletzung eigener Barunterhaltsverpflichtungen.

An dieser Vorgabe ändert auch die jüngste Entscheidung des BGH vom 15.09.2010 nichts grundlegend. Der Bundesgerichtshof hat darin entschieden, unter welchen Voraussetzungen der Sozialhilfeträger, der einem im Heim lebenden Elternteil Sozialleistungen erbracht hat, von dessen Kindern eine Erstattung seiner Kosten verlangen kann.

Die Klägerin, Trägerin der öffentlichen Hilfe, nahm den Beklagten aus übergegangenem Recht auf Zahlung von Elternunterhalt für seine 1935 geborene Mutter in Anspruch. Die Mutter befand sich seit April 2005 in einem Pflegeheim und litt bereits während der Kindheit des Beklagten an einer Psychose mit schizophrener Symptomatik mit einhergehender Antriebsschwäche und Wahnideen. Die Mutter hatte den Beklagten nur bis zur Trennung und Scheidung von ihrem Ehemann im Jahr 1973 versorgt und betreut, seit 1977 bestanden so gut wie keine Kontakte mehr zwischen dem Beklagten und seiner Mutter.

Der Beklagte wandte nun unter anderem Verwirkung eines Unterhaltsanspruches der Mutter aufgrund ihres Fehlverhaltens ein. Da sie ihn als Kind nie gut behandelt habe, würde es eine unbillige Härte bedeuten, wenn der Beklagte gegenüber dem Sozialhilfeträger kraft Anspruchsübergangs für den Unterhalt der Mutter aufkommen müsste.

Der Bundesgerichtshof entschied unter anderem, dass eine psychische Erkrankung, die dazu führt, dass der pflegebedürftige Elternteil der Unterhaltsverpflichtung seinem Kind gegenüber nicht gerecht werden konnte, nicht als schuldhaftes Fehlverhalten mit der Konsequenz eines Anspruchsverlustes betrachtet werden kann. Die Krankheit der Mutter sei als Schicksal bedingt einzustufen und deren Auswirkungen auf den Beklagten rechtfertigten es nicht, die Unterhaltslast dem Staat aufzubürden. Etwas anderes gelte unter anderem dann, wenn der Sachverhalt auch öffentliche Belange beinhaltet. Dies war unter anderem in einer Entscheidung der Fall, in der die psychische Erkrankung des unterhaltsberechtigten Elternteils und die damit verbundene Unfähigkeit, sich um das Kind zu kümmern, auf einem Einsatz im Zweiten Weltkrieg beruhte. Diese Konstellation führte dazu, dass ein Übergang des Unterhaltsanspruches auf die Behörde nicht stattfand, jedoch bleibt der Ausschluss des Anspruchsübergangs auf Ausnahmefälle beschränkt.

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