Rechtsanwälte GRÄNING & KOLLEGEN

Keine Beendigung des Fitnesstudio-Vertrags

Veröffentlicht am 01.11.2016

Aufgepasst bei Abschluss eines Fitnessstudio-Vertrags. Laut BGH-Rechtsprechung ist Wohnsitzwechsel wegen Versetzung kein Beendigungsgrund.

Der BGH hat die Rechtstellung von Fitnessstudios bei der vorzeitigen Beendigung längerfristiger Verträge gestärkt. Ein Wohnsitzwechsel ist auch dann kein Grund für eine vorzeitige Kündigung, wenn die Wohnsitzänderung Folge einer beruflichen Versetzung ist.

Ein in Hannover lebender Soldat hatte 2010 einen Fitnessstudio-Vertrag geschlossen. Die Laufzeit betrug 24 Monate. Der Vertrag verlängerte sich jeweils um ein Jahr, wenn er nicht drei Monate vor Ablauf gekündigt wurde. Das monatliche Nutzungsentgelt betrug 65 Euro zuzüglich einer zweimal jährlich fälligen Pauschale in Höhe von knapp 70 Euro für besondere Trainingspakete.

Von Hannover nach Köln versetzt

Im Oktober 2013 wurde der Soldat nach Köln versetzt, im Januar des darauf folgenden Jahres nach Kiel abkommandiert und anschließend nach Rostock. Unmittelbar nach der ersten Versetzung kündigte er im November 2013 den Fitnessstudio-Vertrag. Die Betreiberin des Fitnessstudios verlangte das vertraglich vereinbarte Entgelt bis einschließlich 31.7.2014.

Divergierende Instanzentscheidungen

Der Soldat lehnte jede weitere Zahlung ab unter Hinweis auf seine beruflich bedingte Versetzung, die es ihm unmöglich mache, die Leistung des Fitnessstudios weiter in Anspruch zu nehmen. Aus diesem Grunde fühlte er sich zur vorzeitigen Beendigung des Fitnessstudio-Vertrages berechtigt.

  • Das zunächst zuständige Amtsgericht teilte die Auffassung des Soldaten und wies die Zahlungsklage der Fitnessstudio-Betreiberin weitgehend ab.
  • In der Berufung gab das Landgericht der Klage auf Zahlung des restlichen Entgeltes in Höhe von knapp 720 Euro statt und ließ wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Angelegenheit die Revision zu.

Außerordentliche Kündigung von Dauerschuldverhältnissen bei Unzumutbarkeit

Höchstrichterlich war die Frage der Kündigungsmöglichkeit eines Fitnessstudio-Vertrages bei einem beruflich bedingten Wohnsitzwechsel bisher nicht geklärt. Grundsätzlich ist bei Dauerschuldverhältnissen gemäß § 314 Abs. 1 BGB die vorzeitige Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist dann möglich, wenn dem kündigenden Teil

  • unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und
  • unter Abwägung der beiderseitigen Interessen
  • die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zur vereinbarten Beendigung oder bis zum Ablauf einer Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann.

Eine ähnliche Kündigungsmöglichkeit sehen die besonderen Vorschriften für Mietverträge und Dienstverträge vor, §§ 543 Abs. 1, 626 Abs. 1 BGB.

Ein Wohnsitzwechsel gehört zur Risikosphäre des Kunden

In seiner Grundsatzentscheidung hat der BGH als maßgebliches Kriterium für die Prüfung der Zumutbarkeit der Fortsetzung des Dauerschuldverhältnisses darauf abgestellt,

  • in wessen Sphäre die Ursache für die vorzeitige Kündigung entstanden ist und
  • inwieweit der Betroffene Einfluss auf die Entstehung des Kündigungsgrundes hatte.
  • Ein nicht dem Verantwortungsbereich des Nutzers unterfallender Umstand sei etwa eine die Nutzung des Fitnessstudios ausschließende Erkrankung oder
  • eine eintretende Schwangerschaft.

Nach Auffassung des BGH liegen die Gründe für einen Wohnsitzwechsel ausschließlich in der Sphäre des Kunden und seien nur von diesem beeinflussbar, selbst dann, wenn der Umzug berufs- oder familienbedingt erfolge. Unter Abwägung aller Umstände sei es in einem solchen Fall gerechtfertigt, das Risiko dem Kunden aufzubürden. Ein Recht zur außerordentlichen Kündigung bestehe nicht.

BGH lehnt auch ein Sonderkündigungsrecht ab

  • Der BGH prüfte auch die Einräumung eines Sonderkündigungsrechts entsprechend den für Telekommunikationseinrichtungen geltenden Vorschriften.

  • § 46 Abs. 8 Satz 3 TKG räumt dem Nutzer einer Telekommunikations-Leistung ein Sonderkündigungsrecht innerhalb von drei Monaten ein, wenn die Leistung an dem neuen Wohnsitz nicht angeboten wird.

    Im Ergebnis lehnte der BGH eine entsprechende Anwendung dieser Vorschrift ab. Begründung: § 46 Abs. 8 Satz 3 TKG regelt einen speziellen im Hinblick auf die bei der Inanspruchnahme von Telekommunikationsleistungen bestehenden besonderen Umstände. Als Spezialvorschrift sei diese Regelung nicht analogiefähig. Der Gesetzgeber habe erkennbar ein solches Sonderkündigungsrecht für andere  Fälle nicht einräumen wollen.

    Ergebnis: Der Soldat musste das verlangte Nutzungsentgelt zahlen, auch wenn er praktisch nicht mehr zur Inanspruchnahme der Fitnessstudio-Leistungen in der Lage war.

    (BGH, Urteil v. 4.5.2016, XII ZR 62/15).

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